Mittwoch, 2. November 2011

„Veenomenal“

- K r i s t e n l e e r e IV -


„Veenomenal“

Dieses Kunstwort, als neues, abgeleitetes Adjektiv eine verbale Komposition, hat natürlich einen Künstlernamen zum Vorbild: Herman van Veen; z.B. als Anerkennung oder Liebesbotschaft zu seinem 65. Geburtstag:

Hier darf jeder seine schönste Ode an den Herman, der eine lebendige, künstlerische Verbindung zwischen D und NL darstellt, wie sie sonst nur im Showbereich ein Rudi Sowieso erreichte.

http://www.niederlandeweb.de/de/kalender/image/?vid=2924

Seine künstlerische Produktivität wird «veenomenal» (ndl. fenomenaal) genannt:

http://www.veenpers.nl/10140310kr.htm

Ich bin Herman van Veen dankbar für viele Lieder, viele Sätze, seinen Pazifismus, seine Poesie, seine Menschenfreundlichkeit; sie vermitteln auch diese luestige (lustig-ernsthafte) „Geschichte von Gott“:


Herman von Veen:

Geschichte von Gott

Als Gott nach langem Zögern wieder mal nach Hause ging, war es schön; sagenhaftes Wetter! Und das erste, was Gott tat, war: die Fenster sperrangelweit zu öffnen, um sein Häuschen gut zu lüften.

Und Gott dachte: Vor dem Essen wird´ ich mir noch kurz die Beine vertreten. Und er lief den Hügel hinab zu jenem Dorf, von dem er genau wusste, dass es da lag.

Und das erste, was Gott auffiel, war, dass da mitten im Dorf während seiner Abwesenheit etwas gescheh´n war, was er nicht erkannte. Mitten auf dem Platz stand eine Masse mit einer Kuppel und einem Pfeil, der pedantisch nach oben wies.

Und Gott rannte mit Riesenschritten den Hügel hinab, stürmte die monumentale Treppe hinauf und befand sich in einem unheimlichen, nasskalten, halbdunklen, muffigen Raum.

Und dieser Raum hing voll mit allerlei merkwürdigen Bildern, viele Mütter mit Kind mit Reifen überm Kopf und ein fast sadistisches Standbild von einem Mann an einem Lattengerüst. Und der Raum wurde erleuchtet von einer Anzahl fettiger, gelblichweißer, chamoistriefender Substanzen, aus denen Licht leckte.

Er sah auch eine höchst unwahrscheinliche Menge kleiner Kerle herumlaufen mit dunkelbraunen und schwarzen Kleidern und dicken Büchern unter müden Achseln, die selbst aus einiger Entfernung leicht moderig rochen.

"Komm mal her! Was ist das hier?"

"Was ist das hier! Das ist eine Kirche, mein Freund. Das ist das Haus Gottes."

"Aha. . . Wenn das hier das Haus Gottes ist, Junge, warum blühen hier dann keine Blumen, warum strömt dann hier kein Wasser und warum scheint dann hier die Sonne nicht, Bürschchen?!"

"… Das weiß ich nicht."

"Kommen hier viele Menschen her, Knabe?"

"Es geht in letzter Zeit ein bisschen zurück."

"Und woher kommt das deiner Meinung nach? Oder hast du keine Meinung?"

"Es ist der Teufel. Der Teufel ist in die Menschen gefahren. Die Menschen denken heutzutage, dass sie selbst Gott sind und sitzen lieber auf ihrem Hintern in der Sonne."

Und Gott lief fröhlich pfeifend aus der Kirche auf den Platz. Da sah er auf einer Bank einen kleinen Kerl in der Sonne sitzen. Und Gott schob sich neben das Männlein, schlug die Beine übereinander und sagte: "… Kollege!"

*

Herman van Veen: "Eine Geschichte von Gott" (1974). Polydor 835385-2 LC 00309, 3'01


Von dieser Seite aus aufgenommen:

http://www.kulturserver.de/home/klangundstille/text%20geschichte%20von%20gott.htm

* *

Seine niederländische Internet-Seite macht mit einem leisen Pfeifton auf sich aufmerksam:

http://www.hermanvanveen.com/Herman-van-Veen/nl-NL/home.aspx

Von seinem Leben:

http://www.hermanvanveen.com/herman-van-veen/de-DE/biografie/biografie.aspx

Dort findet sich sein Weblog,

mit dem Eintrag vom:

Sonntag, 14. März 2010


Heute werde ich 65.

Früher fand man das steinalt.

65!

Dann war man beinahe schon tot,

betagt,

ein gebrechlicher Mann,

reif für’s Verschrotten.

Wie anders sich das anfühlt.

Alt ist die Frau,

die kürzlich in Leipzig

nach Ende unserer Vorstellung

in den 4. Stock

zum Plaudern kam

und um ein Autogramm

für das Enkelkind in Frankfurt zu fragen.

95 Jahre war sie,

silberweiße Haare,

adrett zurechtgemacht,

schlank,

klar wie Wasser.

Sie machte ein Witzchen nach dem anderen.

“Gut, dann bis zum nächsten Mal.”,

sagte sie zum Abschied

und stieg dann die 4 Treppen der Oper wieder hinab.

Wer will da nicht auch so alt werden?

Alt ist ein relativer Begriff.

Wer kennt nicht auch Menschen,

die mit 25 Jahren schon wie Greise sind,

die kaum Freude an ihrem Leben haben

und sich grübelnd durchs Leben schleppen?

Junge Menschen,

die scheinbar niemals Kind gewesen sind.

Erinnere mich an einen Klassenkameraden,

der als Berufssoldat

seinen Dienst tun wollte,

weil man bei der Armee

viel früher in Pension gehen durfte.

Ich fühl mich nicht alt.

Doch es stimmt,

dass kein Ende abzusehen ist in meinen Erinnerungen.

Mit dem Verstreichen der Zeit

werden sie ständig präziser.

So erinnere ich mich an die Woche,

wie alt muss ich gewesen sein, 4 Jahre ungefähr,

als ich zum ersten Mal auf dem Rücken eines Pferdes sitzen durfte.

Auf dem Gaul vom Gemüsehändler.

Als mein Enkel diese Woche fragte,

ob er auf unser Pony dürfe,

hob ich ihn hinauf.

Und dabei kam mir das Bild

vom Gemüsehändler,

seinen Händen,

seinem Geruch,

auch der Rücken des Pferdes,

und dessen Mähne in den Sinn.

Als ob es gestern wäre,

konnte ich mit meinen Beinen fühlen,

wie das riesige Tier Atem holte.

Und gestern…

hab ich gut eine Stunde mit einem Mann gesprochen,

an dessen Namen ich mich weder erinnern kann,

noch an das, worum es in dem Gespräch eigentlich ging.

*

Glückwunsch, Mensch!

**

LinkHej! Das gönne ich mir, solange ich hören kann; un dann denke ich einfach weiter:
"He, kleiner Fratz auf dem Kinderrad -"

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