Donnerstag, 10. Januar 2013

A u s w e n d i g!



„Auswändig“, früher schon (bei den Grimmschen im DWB) und später- und fürderhin „auswendig“ - s. Duden -  geschrieben.


Einige nicht auswendig dargestellte Beispiele.

Ein Erziehungsbeispiel bei Marie von Ebner-Eschenbach, in „Meine Kinderjahre. Biographische Skizzen“.

„Äußerlich eine mittelgroße, schlanke Brünette, mächtiges Dunkel im Haar, Feuer in den Augen. Innerlich – ein Drache. Eine treue Anhängerin der Moral, die unsere Modernen erfunden zu haben glauben, eine Dienerin der Pflicht, »sich auszuleben«. Sehr unwillkürlich bildeten ihre Zöglinge dabei doch einige Hindernisse, und als solche hat sie uns herzlich gehaßt. Es regnete Strafen. Die ärgste diktierte sie mir, als ich einmal in offenen Aufruhr gegen sie geriet, weil sie statt les Autrichiens »les autres chiens« gesagt hatte. Hoch angerechnet soll übrigens der leidenschaftlichen Dame eines werden, und ihr zum Ruhme muß ich es besonders hervorheben: wohl hat sie uns hungern, hat uns bis zur Erschöpfung im Winkel stehen, viele Seiten aus Noël et Chapsal auswendig lernen lassen, von denen wir kein Wort verstanden – geschlagen hat sie uns nicht. Die Note fehlte in der Symphonie ihres Erziehungsprogramms. Trotzdem lernten wir durch sie aufs gründlichste erfahren, wie tief unglücklich Kinder sein können, die sich wehrlos einer böswilligen Macht überantwortet fühlen.“

Auswendig lernen, die normale Bimsmethode: „Auswendig“ bezog sich auf die Wiedergabe, das äußere, vom „Erzieher“ abverlangte „auswendig“ Aufsagen, das Vorsagen, das Abspulen..

In Sudermanns betulich-mitleidvoller „Frau Sorge“:

„Das Lernen ging ihm sehr schwer vonstatten. Das Pensum, zu welchem die Kameraden kaum 15 Minuten gebrauchten, brachte er erst in ein bis zwei Stunden fertig. Dafür war seine Handschrift auch wie gestochen, und in seinen Rechnungen fand sich nie und nimmer ein Fehler. Dennoch war keine Arbeit ihm gut genug, und gar oft überraschte ihn seine Mutter, wie er nachts heimlich aufstand, weil er fürchtete, das Ausendiggelernte wäre seinem Gedächtnis entfallen. Daß er gleich den Brüdern eine höhere Schule besuchen würde, daran war nicht zu denken. Die Mutter hegte wohl eine Zeitlang den Plan, ihn den Älteren folgen zu lassen, sobald diese ihre Abiturientenexamen gemacht haben würden, denn es tat ihrem Mutterherzen weh, daß dieser eine den anderen nachstehen sollte, aber schließlich fügte sie sich. Und es war wohl auch am besten so. – Paul selbst hatte es nie anders erwartet. Er hielt sich für ein durchaus untergeordnetes Wesen den Brüdern gegenüber und hatte es schon längst aufgegeben, ihnen jemals zu gleichen. Wenn sie zu den Ferien heimkamen, Samtmützen auf den wallenden Haaren, bunte Bänder quer über die Brust gespannt – denn sie gehörten einer verbotenen Schülerverbindung an –, so schaute er zu ihnen empor wie zu Wesen aus höheren Welten. Begierig lauschte er, wenn sie untereinander über Sallust und Cicero und die Dramen des Äschylus zu sprechen begannen – und sie sprachen gern davon, schon allein, um ihm zu imponieren. Der Gegenstand seiner allerhöchsten Bewunderung aber war das dicke Buch, auf dessen vorderster Seite das Wort »Logarithmentafel« geschrieben stand und das von der ersten bis zur letzten Seite nichts enthielt als Zahlen. Zahlen in langen, dichten Reihen, bei deren Anschauen ihm schon schwindlig wurde. Wie gelehrt mußte der sein, der das alles im Kopfe hat, sagte er zu sich, den Deckel des Buches streichelnd, denn er dachte nicht anders, als daß man alle diese Zahlen auswendig lernte.“

http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/Navigator/navigator_py?sigle=DWB&lemid=GA09348&mode=Vernetzung&hitlist=&patternlist=&sigle1=DWB&lemid1=GA09348&sigle2=Adelung&lemid2=DA04725

Nachzulesen im Adelung und im Grimm; na, bitte: selber googeln (lernen).

Bertelsmann Wörterbuch:“
“Aus|wen|dig [Adv. ] 1 aus dem Gedächtnis, ohne abzulesen; etwas a. hersagen, singen, spielen; etwas a. können; das kann ich schon in- und a. [ugs.] das habe ich schon so oft gehört, dass es mich langweilt; etwas a. lernen sich so einprägen, dass man es aus dem Gedächtnis sagen, singen, spielen kann ... [zu 1: eigtl. ”nach außen gewendet“, d. h. ”vom Buch abgewendet“, also ”ohne ins Buch zu schauen“]“ .

Auswendig lernen war die strengste, eigen- oder fremd kontrollierte Form des Lernens. Alles war auf Nachfrage vorzubringen, mit Beispielen, mit Erklärungen, mit Erklärungen:
Puh: die Erinnerungen im Schallraum einer Klasse an einer Latein-Penne, ach: Ehre wem Schande gebührt: eines „Altsprachlichen Gymnasiums“:

Zu Beginn von „Latein“: Schritte draußen, Aufstehen in der Klasse.
"Peveling! Die elf verschiedenen Ablativi – punktum, sofort! Den „Ablativus thematis“ können Sie weglassen. Ach? Sie bringen es nur auf neun? Vergeblich! -"
"Dann Reyntjes! Weil sie die Ablativformen beherrschen: Die ersten sechs Sätze aus Caesaris „Commentarii de bello Gallico“. (Puh, und ich kann nur zwei Sätzchen!)
– Ich erwache aus dem Alb.

Stichwort:
Duden. Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. Vierte Aufl. Mannheim 2007 S. 923:
„Auswendig“. Vgl. das Verb wenden“: „aus dem Gedächtnis“( mhd. uzwendec: äußerlich, auf die Außenseite“; die heutige Bedeutung seit dem 16. Jh.)“

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